Wieviel Wohnen kann sich die Mittelschicht noch leisten?
Der Anstieg von Kauf- und Mietpreisen für Wohnimmobilien in Österreichs Hauptstädten setzt sich seit über zehn Jahren unbeirrt fort. Georg Spiegelfeld, Präsident des Immobilienring Österreich: „Immobilienpreise für Wohnen entkoppeln sich immer stärker vom verfügbaren Einkommen.“ Von den steigenden Belastungen ist nun auch die Mittelschicht immer mehr betroffen. Konnte sich diese 2006 mit zehn Jahresnettogehältern noch locker eine etwa 120m2 Wohnung in der Stadt leisten, so sind es 2018 nur noch rund 75m². „Die benötigten Finanzierungsmittel für Wohneigentum werden auch für die Mittelschicht immer höher und sind in den letzten zehn Jahren um rund 100.000 Euro angewachsen“, sagt Spiegelfeld bei der Pressekonferenz am 6. November 2018. Rund die Hälfte ihres monatlichen Einkommens muss die Mittelschicht für die Miete einer 70m² Wohnung mit guter Ausstattung in mittelguter Lage bereitstellen.
Da in den österreichischen Städten vor einigen Jahren die Immobilienpreise im europäischen Vergleich noch niedrig waren, strömten zunehmend ausländische Investoren auf den heimischen Markt. Die Wohnimmobilien weisen einen der stärksten Preiszuwächse innerhalb der EU auf. Der Zuzug und die innerstaatliche Wanderung in attraktive Ballungsräume erhöhten, bei stagnierendem Angebot, die Nachfrage weiter. „Die Kaufbereitschaft ist noch immer hoch, denn die Zinsen dürften noch niedrig bleiben“, meint Spiegelfeld. Allerdings werden die benötigten Kreditbeträge immer höher. Selbst Paare die gut verdienen brauchen oft die Elternteile von beiden Seiten als Bürgen und Laufzeiten über 30 Jahre um die Finanzierung einer Bank erhalten zu können.
Landeshauptstädte: Weniger Wohnen ums gleiche Geld
Wer in Österreich um die 3.000 Euro brutto verdient, das sind jährlich etwa 29.000 Euro netto nach Abzug der Steuern, zählt zur guten Mittelschicht. Das Einkommen dieser hat in den letzten zehn Jahren stagniert oder sogar einen Reallohnverlust erlitten. Dazu kommt die Entkoppelung der Preise für Wohnen, der finanzielle Aufwand in Relation zum Einkommen hat enorm zugenommen. Spiegelfeld: „Immobilienpreise sind auf breiter Front gestiegen und die Eigentumsquote, die in Österreich mit 48% ohnehin schon niedrig ist, weiter rückläufig.“ Dem müsse entgegengewirkt werden, so Spiegelfeld und: „Um mehr Wohnungen zu schaffen soll die Wohnbausteuer wieder zweckgebunden eingesetzt werden.“
Andrea Baidinger, die für den Immobilienring den Research durchführte, verglich die Transaktionsdaten* der letzten zwölf Jahre. Baidinger zu den Ergebnissen: „Bei einem Einsatz von zehn Jahresnettoeinkommen, das entspricht einem Betrag von rund 290.000 Euro, kann sich der Mittelstand aktuell in Österreichs Landeshauptstädten um 20 bis 55 m2 weniger Wohnung leisten. (*WKO, Statistik Austria)
Anstatt einer 117m2 Wohnung 2006, sind es in Wien 2018 nur mehr 77m2. In St. Pölten, das massiv von der verbesserten Anbindung an Wien profitiert, sind es um etwa 40m2 weniger Wohnung mit gleich hohem finanziellem Einsatz, ebenso wie in Innsbruck. Immer noch 150m2, aber um 55m2 weniger als 2006, bekommt man in Eisenstadt, allerdings ausgehend von einer niedrigen Preisebene. In Bregenz sind um 29m2, in Graz um 26m2, in Klagenfurt um 24m2, und Linz um 20m2 weniger Wohnung zu kaufen. Salzburg liegt mit einem Minus von 18m2 zwar am unteren Ende der Skala, aber auf sehr hohem Niveau. Bereits 2006 waren um zehn Jahresnettogehälter nur 90m2 Wohnung erhältlich, aktuell sind es noch 72m2.
Teure Mieten in Innsbruck, Salzburg, Bregenz und Wien
Wer heute eine durchschnittliche 60-70 m2 Wohnung in den Landeshauptstädten Innsbruck, Salzburg, Bregenz und Wien sucht, muss dafür eine Miete ab 1.000 Euro (Miete inkl. BK, inkl. MwSt.) kalkulieren, so Andreas G. Gressenbauer, Vizepräsident des Immobilienring Österreich zu den Ergebnissen des IR Research. Graz, Linz, Klagenfurt, St. Pölten und Eisenstadt schlagen mit rund 700 Euro zu Buche und sind damit um rund ein Drittel günstiger. Spiegelfeld: „Ausgehend von einem guten österreichischen Mittelschichtsgehalt von monatlich 2.000 Euro netto, muss somit rund die Hälfte des verfügbaren Einkommens für die Miete eingeplant werden. Das ist auch für gutverdienende, vor allem Alleinlebende, eine große budgetäre Belastung.“ Der Anteil an befristeten Mietwohnungen (Hauptmietwohnungen) ist in den letzten zehn Jahren auf 22 Prozent gestiegen. Bei privaten Mietwohnungen hat sich der Anteil verdoppelt und liegt aktuell bei 45 Prozent (Statistik Austria).
Selbstnutzer und Kapitalanleger machen sich im Segment Eigentumswohnungen Konkurrenz. Auch sogenannte „Forward-Deals“ kommen zunehmend zum Einsatz. Das führt teilweise zu Preisschüben bei Mieten im Neubau. „Frei finanzierte Wohnungen sind vor Fertigstellung verkauft, danach gleich weiterverkauft und kommen als Mietwohnungen auf den Markt“, berichtet Gressenbauer. „Vor einem Jahr haben wir auf die entstehende Problematik aufgrund fehlender Regeln für Kurzzeitvermietungen wie Airbnb hingewiesen. Leider ist bis jetzt noch nichts geschehen“, resümiert Gressenbauer. Denn Wohnungen die zu teuer für den Verkauf oder für reguläre Mieten sind, werden Kurzzeit – vermietet.
Qualität von Maklern gefordert
Interessant, so Gressenbauer, sei, dass häufig qualitativ schlechte Bestandswohnungen zu gleichen Mieten wie bei einem Neubau – Erstbezug angeboten werden. „Ein guter Makler nimmt nur Wohnungen in sein Portfolio auf, wo das Preis-Leistungsverhältnis auch stimmt.“ Hier können Wohnungssuchende sehr rasch Spreu von Weizen trennen, so Gressenbauer weiter. Oft werden Miet- und Kaufobjekte über Mehrfachinserate mit unterschiedlichen Bildern und Preisangaben von mehreren Maklern angeboten. Das sollte für Suchende ein Warnzeichen sein, rät Gressenbauer.
Wohnimmobilienmarkt 3. Quartal 2018
Nachfrage und Preise zeigen auch im 3. Quartal 2018 in ganz Österreich bei allen Wohnimmobilien weiterhin steigende Tendenz, außer bei Einfamilienhäusern zur Miete, ergibt die Auswertung der aktuellsten Datenerhebung unter den rund 400 Maklern des Immobilienring Österreich. In West- und Südösterreich rangieren bei der Nachfrage und Preisentwicklung Grundstücke an erster Stelle, gefolgt von Einfamilienhäusern und mit etwas Abstand Eigentums- und Mietwohnungen.
Beruhigung im Osten Österreichs
Spiegelfeld: „Im Segment Eigentumswohnungen machen sich Selbstnutzer und Kapitalanleger Konkurrenz. Es sind immer noch größere Preisschübe zu beobachten. Der Immobilienmarkt in Ostösterreich wird von Wien dominiert. Hier hat sich die Marktsituation, abgesehen von manchen Spitzen, etwas beruhigt.“ Die Nachfrage und Preisentwicklung von Eigentums- und Mietwohnungen zeigen zum Vorjahresvergleich nur noch eine moderat steigende Tendenz, etwas höher ist diese bei Grundstücken und Einfamilienhäusern. „Im Hochpreissegment von Mietwohnungen in Wien ist die Nachfrage noch mehr zurückgegangen. Nettomieten ab 2.000 Euro monatlich sind kaum mehr erreichbar,“ resümiert Spiegelfeld. Bei Eigentumswohnungen wird es ab einem m2-Preis von 8.000 Euro schwierig für die Vermarktung.
Boom von Grundstücken und Einfamilienhäusern in West- und Südösterreich
Gressenbauer: „2018 kam es zu einer starken regionalen Preisdynamik. Waren Einfamilienhäuser in den vergangenen Jahren schwer zu verkaufen, erleben diese in West- und Südösterreich mit einer Verdoppelung der Nachfrage eine Renaissance.“ Zudem verzeichnen Grundstücke einen noch nie da gewesenen Boom. Der sich bereits im Vorjahr abzeichnende Trend hat sich heuer verdoppelt bis verdreifacht. Gressenbauer: „Mit der extrem hohen Nachfrage haben sich die Preise eklatant verschärft. Eine starke Auslandsnachfrage, wie beispielsweise aus dem deutschen und italienischen Raum sind zusätzliche Wachstumstreiber. In der Stadt Salzburg sind Grundstücke seit langem rar und die Preise fast nicht mehr bezahlbar. Die Entwicklung dehnt sich nun auch in die Regionen aus. Ähnliches beobachten wir auch in der Steiermark und Kärnten.“
Paare ohne Kinder dominieren bei der Wohnungssuche in Österreich
Die Klientel der Wohnungssuchenden ist regional sehr unterschiedlich, aber eine Tendenz ist österreichweit gleich: über 70 Prozent der Wohnungssuchenden sind Paare und über 60% sind unter 40 Jahre alt. Suchen im Osten vorwiegend Singles (29%) und Paare ohne Kinder (52%) so sind im Westen 50% Familien und im Süden 70% Paare ohne Kinder auf Wohnungssuche.
Rückfragehinweis: Pressestelle Immobilienring Österreich
andrea.baidinger bauen wohnen immobilien Kommunikationsberatung GmbH A-1060 Wien, Haydngasse 21, Tel +43-1-904 21 55, agentur@bauenwohnenimmobilien.at